Wolfgang Neuss hat mit diesen Aufnahmen einen echten Kabarett-klassiker
hinterlassen. Was er uns da in knapp 78 Minuten präsentiert -übrigens
fast 30 Minuten mehr, als auf der ursprünglichen LP- ist wahrlich eine
satirische Zeitbombe.
Die Aufnahmen, entstanden im Jahre 1965, einem Jahr des Umbruchs.
Notstandsgesetze, Bildungsnotstand und Atomtod waren Schlagworte,
für die Künstler, Schriftsteller und Pfarrer auf die Straße gingen. Es
formierte sich der Widerstand derer, die im Bonner Parlament keinen
Anwalt hatten. Ohnmacht kam auf, Wut machte sich breit.
Wolfgang Neuss, der „Mann mit der Pauke“, politisierte sich zunehmend.
Nach langen Jahren als Komiker und Clown, erkannte er, was nach 1945
beiseite geschoben, einfach unter den Teppich gefegt wurde. Genau da
setzte Neuss an. Für diesen Ansatz hatte er sich eine neue Form
ausgedacht. Keine Pauke? Nein, er ließ sich von Fatty
George und seiner Band den Takt schlagen.
Neuss rezitiert, spricht fast durchgehend in Versen, hatte sich großen
französischen Satiriker Francois Villon, poetisches Hemd ausgeliehen.
Variiert dessen Gestus und Reime, aktualisiert sie, und übernimmt ihre
wegwerfend unverschämte Aggressivität.
„Neuss Testament“ ein Programm, gemischt aus Jux und Schwermut,
Irrtum und oft genial formulierter Wahrheit, Melancholie, und
Spieltrieb, Selbstzerfleischung und purer Lebensfreude.