© RioReiser-Archiv-Moebius
Rio Reiser (* 9. Januar 1950 als Ralph Christian Möbius in West-Berlin; † 20. August 1996 in Fresenhagen) war Sänger, Musiker, Komponist, Texter und Schauspieler.
Reiser brach die Schule am Melanchthon-Gymnasium Nürnberg ab, um eine Ausbildung in einem Fotografenstudio zu machen. Er brachte sich selbst das Cello-, Gitarre- und Klavierspielen sowie das Spielen weiterer Instrumente bei. Seinen bürgerlichen Namen änderte er in Anlehnung an die Hauptfigur des psychologischen Romans Anton Reiser von Karl Philipp Moritz in Rio Reiser. In seiner Jugend war er Fan der Beatles und später der Rolling Stones.
1970 gründete Reiser zusammen mit Lanrue sowie Kai Sichtermann und Wolfgang Seidel die Band Ton Steine Scherben. Im selben Jahr hatte die Gruppe den ersten Liveauftritt auf dem von Beate Uhse gesponserten Love-and-Peace-Festival. Mit den beiden im Selbstvertrieb erschienenen Alben Warum geht es mir so dreckig (1971) und vor allem Keine Macht für Niemand (1972) brachte die Band die Zustände, Gedanken und Strömungen der radikalisierten Linken in Westdeutschland nach 1968 auf den Punkt.
1985 löste sich die Band nach der Veröffentlichung ihres bis dahin einzigen „Live"-Albums Live in Berlin 84 unter anderem wegen der finanziellen Misere auf. Ton Steine Scherben und Rio Reiser hatten rund 200.000 Mark Schulden, sie wollten sich aber als „Ikone der Linken" nicht an „die Industrie verkaufen". Annette Humpe (Ex-Ideal), die 1984 bereits Rios erste Single Dr. Sommer/B-Seite produziert hatte, stellte den Kontakt zu George Glueck her, Reisers späterem Manager.
Udo Arndt produzierte 1985/1986 zusammen mit Humpe Reisers erstes Soloalbum Rio I. Das Album baute auf den zahlreichen Demos auf, die die Scherben für eine mögliche weitere LP aufgenommen hatten. Reisers Solokarriere begann mit seinen beiden größten Hits König von Deutschland und Junimond und war so erfolgreich, dass er nach kurzer Zeit schuldenfrei war.
Viele Fans von Ton Steine Scherben wollten es allerdings nicht gutheißen, dass Reiser als „Idol der linksalternativen Szene" ein kommerziell erfolgreicher Musiker im Fahrwasser der Neuen Deutschen Welle sein sollte. Dabei verkannten sie, dass die meisten der Lieder, die Reiser im Laufe seiner Solokarriere aufgenommen und gespielt hat, alte Scherben-Lieder waren (Junimond, Menschenfresser, Jetzt schlägt's Dreizehn, Irrenanstalt und König von Deutschland waren schon 1976 live gespielt worden). Eingespielt wurden die Platten von einer Reihe professioneller Studiomusiker, anstatt wie bis dahin im Kollektiv. Bei den Liveauftritten wurde Reiser von zahlreichen Musikern aus dem Scherben-Umfeld begleitet, so spielte bis zum Jahr 1988 Lanrue in seiner Live-Band mit.
1986 beendete Reiser mit einer Allstar-Band (u. a. mit Herbert Grönemeyer, den Rodgau Monotones, den Toten Hosen, Purple Schulz und Herwig Mitteregger) vor über 100.000 Zuschauern das Anti-WAAhnsinns-Festival. Als letztes Lied spielte er allein am Klavier eine Version von Over the Rainbow.
Für die beiden Konzerte, die am 1. und 2. Oktober 1988 in der Werner-Seelenbinder-Halle stattfanden, hatte Reiser noch ein paar Scherben-Klassiker mehr als üblich ins Programm aufgenommen. Die Konzerte, die mit Alles Lüge begannen, wurden aufgezeichnet und vom DDR-Jugendradiosender DT 64 ausgestrahlt. Allerdings fehlte bei der Ausstrahlung der Scherben-Song Der Traum ist aus: Die Zeilen „Gibt es ein Land auf der Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist? [...] Ich weiß es wirklich nicht – Ich weiß nur eins, und da bin ich sicher: Dieses Land ist es nicht!" – ursprünglich der Bundesrepublik gewidmet – wurden von tausenden Ost-Berlinern „mehr mitgebrüllt als mitgesungen" und das zeigte, ein Jahr vor der politischen Wende, wie wenig sich die anwesenden Zuhörer mit ihrem Staat identifizieren wollten.
Zwischen 1991 und 1994 erschienen weiter Alben. 1994 erschien die in Zusammenarbeit mit Hannes Eyber entstandene Autobiografie König von Deutschland, die – von kurzen Schlaglichtern abgesehen – seine Solokarriere ausspart. Etwa zur gleichen Zeit spielte er seinen größten Hit König von Deutschland mit teilweise neuem Text für das gleichnamige Best-of-
Reisers sechste und letzte Soloplatte heißt Himmel und Hölle und war zugleich das letzte Album, das er bei Sony Music veröffentlichte.
Im Frühsommer 1996 begab sich Reiser trotz seines schlechten Gesundheitszustands und gegen ärztlichen Rat auf Deutschland-Tournee, die auch mehrere Open-Air-Konzerte in Berlin vorsah. Aber kurz vor dem ersten geplanten Auftritt musste die Tour abgesagt werden. Reiser gab sein letztes offizielles Konzert am 24. Mai 1996 im ausverkauften Malzhaus in Plauen. Fünf Tage vor seinem Tod teilte er mit, dass er seine nächste Platte wieder bei der hauseigenen David Volksmund Produktion herausbringen wolle, um wieder unabhängig zu sein.
Rio Reiser starb im August 1996 im Alter von 46 Jahren. Als Todesursache wurden Ösophagusvarizen diagnostiziert. Sein Lebensgefährte Misha Schoeneberg machte Reisers Alkoholkrankheit für dessen frühen Tod verantwortlich.
(Textauszüge von Wikipedia)